Montag, 12. November 2012

lange Knabenstrümpfe - ZWEI








ZWEItes Post in der Historie der langen Knabenstrümpfe



  Bild 25
aus Hirzel (Schweiz), 1941, Teil der Klasse,
das ganze Klasse findet sich hier: 
http://www.lehrmittelverlag-zuerich.ch/Shop/Klassenfotoarchiv/tabid/316/language/de-CH/Default.aspx ,
1941, Hirzel, erstes Foto.


Auf dieser schweizerischen Klassenaufnahme von 1941 kann man sich denken, daß die Jugendlichen so um 14 waren (Daten sind nicht angegeben). Die fünf Buben hatten etwas gemeinsam, sitzen freundschaftlich zusammen, und alle tragen ähnliche Kleidung, besonders lange Strümpfe zu kurzen Hosen. Ein gemeinsamer Freundschafts-Stil, oder sie leben zum Beispiel in einem Internat mit dieser Hauskleidung, oder die Mütter haben eine gemeinsame Idee. Einige haben sie mit Strumpf-Haltern befestigt (der linke und wahrscheinlich der Mittlere, ihre Strümpfe sind ein wenig strammer), die anderen mehr oder wenige sicher mit Strumpf-Bändern um die Schenkel. Beim linken ist auch der oberere Strumpf-Rand zu erkennen, was klar zeigt, daß seine Strümpfe von Strumpf-Haltern gespannt werden – vielleicht mit so einem:

Bild 26
Ich habe keine eindeutige Information, doch ich kann 
mir denken, daß größere Knaben (wie in Bild 25) solche 
schlichten Strumpfhalter-Gürtel benutzten.

Auf manchen Klassenfotos jener Zeit sitzen die Jungen in langen Strümpfen zusammen oder gar in der Nähe von Mädchen (die ja auch die Langen tragen), und die anderen Jungen ohne die Strümpfe zusammen. Hat das wohl emotionale oder soziale oder Stil-Gründe?

Wenn wir damals lange Strümpfe getragen haben, ging es ja darum, das ganze Bein zu bedecken, durch das Zusammenwirken von Hosen und Strümpfen. Doch haben wir das nicht sehr ernst genommen, denn beim Hocken oder Sitzen rutschten beide oft auseinander und ein Stück Schenkel war nackt und hätte kalt werden können. Das ist auf vielen Bildern zu sehen, und ich habe es an mir selbst erlebt, oder sogar versucht zu erreichen, indem ich die Hosenbeine etwas hochzog (wie auf Bilder 3, 27 und 28):

Bild 27
1939, Kindergarten, doch wo?
 Das geschah uns in jedem Alter

 Bild 28
auf der Bahnüberführung in Holzwickede.


 bei diesen beiden Bildern kam es den Müttern wohl
auf den Schutz der Knie an - und
vielleicht auf gewisse Eleganz der Knie – 
unter Verlust von etwas Wärme 
am Unterleib.

Manchmal haben wir die Strümpfe auch halb oder ganz runtergerollt, entweder bis eben über die Knie oder noch tiefer. Dann kam willkommene Kühle an die Haut. Das war das große Angebot der langen Strümpfe im Gegensatz zu langen Hosen oder später auch Strumpfhosen. Wenn es im Klassenraum warm war, haben wir oft die Strümpfe runtergerollt. Das wäre bei Strumpfhosen – die ich nie im Leben getragen hätte – nicht möglich.



Jüngere und auch manche ältere Knaben hatten – wie gesagt – ein oder zwei weiße Wäsche-Knöpfe am Strumpf angenäht und daran die Lochgummis geknöpft (Bild 4), das war wohl weniger elegant und wurde von uns als kindlicher empfunden, aber von älteren auch als weniger mädchenhaft. Bei dicken, Wolle-Strümpfen ging das garnicht anders, da die Draht-Spangen den dicken Strumpf nicht fassen können.
 
Diese Befestigung löste sich nicht so leicht, war also spiel- und sport-gerechter. Die Strumpf-Halter waren oben an einem Leibchen oder auch an Unterhemden befestigt, doch an Strumpf-Halter-Gürtel bei Kindern kann ich mich selbst nicht erinnern, habe aber davon gehört. Deswegen zeige ich oben einen in Bild 26. Als Mutter hätte ich meinen Kindern – Mädchen oder Buben – Strumpf-Halter-Gürtel gegönnt, sie sind erwachsener als Leibchen, und die/der Jugendliche kann sie ohne Hilfe an- und ausziehen. Die Leibchen werden ja hinten zugeknöpft, und die Kinder  mussten sich helfen lassen, denn allein geht das Auf- und Zuknöpfen nicht. Es wird vermutet, daß die Hilfe durch die Mutter oder Geschwister Abhängigkeiten brachte. Und deswegen die Mütter so lange wie möglich auf Leibchen bestanden – ob mit oder ohne Strumpf-Halter. Es wundert mich allerdings, warum nicht einfach Leibchen mit Knöpfen vorne üblich waren.

Oft wurden unter den Strümpfen lange Unterhosen getragen, besonders beim Wintersport, also Schlittenfahren oder Schlittschuhlaufen:

Bild 29
Der Junge trägt lange Unterhosen unter
seinen Strümpfen, wie oft im Winter,
auf dem Lande eher als in der Stadt,
 aus den 1930er Jahren in Ostpreussen.

Den Mädchen wird es ähnlich ergangen sein wie den Knaben. Sie trugen ja ebenfalls lange Strümpfe mit Strumpf-Haltern und so weiter. Auch sie haben die Strümpfe runtergerollt, wenn es zu warm wurde. Doch ihr Anspruch an Eleganz war größer, und deswegen sind sie diesen Weg seltener gegangen, blieben mädchenhafter, besonders wenn sie Feinstrümpfe trugen, Seide oder Nylon, frühestens mit dreizehn Jahren. Wie ich immer wieder lese, haben sich Jungen beschwert, daß ihre Strümpfe nicht lang genug waren, die Mädchen wären besser dran gewesen, da ihre Strümpfe wirklich lang waren, wie auf den Bildern 30 a und b.

Bild 30 a
Früher - in den 1930 bis 60er Jahren -
gaben die Mütter ihren Töchtern im Winter 
sehr lange Strümpfe - den Söhnen 
gaben sie nie so lange. Diese ganz langen hatten 
den Nachteil, daß sie im warmen Klassenraum
nicht runter gerollt werden konnten -
wie Strumpfhosen.Doch wärmten sie gut.
Dieses Mädchen trägt hier ein langes Strumpfhalterleibchen,
Strumpfhalter, Strümpfe und einen Unterrock. 
Das Leibchen ist über die Schultern verstärkt - für die strammen Halter. In England
tragen Damen diese "bodice" mit Strumpfhaltern auch heute gelegentlich.


Bild 30 b
Mädchen in langen Strümpfen, sie müssen so lang sein,
damit die Oberschenkel geschützt waren, wenn der
Wind unter das Kleid bläst. Eigentlich gehört da noch
ein Unterrock drunter.

Dennoch trugen auch viele Frauen und Mädchen Strumpf-Bänder, also ringförmige Bänder, die um Schenkel und Strumpf geschlungen wurden, manchmal mit Knopf (Bild 32) reguliert. So geht es aber nur, wenn das Strumpf-Band eben über dem Knie ist, weil es, wenn es weiter oben ist, nach unten rutschen würde: die Oberschenkel sind bei den meisten (jedenfalls den schlanken) Menschen konisch und haben die dünnste Stelle eben über dem Knie. Strumpf-Bänder waren einfacher und wurden von Frauen eher bei Handarbeit wie im Garten oder auf dem Feld getragen.Und so hatten es damals auch Kinder jedes Alters.

Bild 31
aus der Schweiz etwa 1955 - Strumpfband, ich denke,
der Bub´ hat seine Strümpfe für das Foto nochmal
hochgezogen - das war so üblich

Bild 32
Das Einstellen der Strumpf-Band-Weite

Bild 33
Knabe mit schwarzen 3/4 langen Strümpfen
Er hält die Strümpfe mit Strumpf-Bändern (dunkel-grau schwach zu sehen)
eben oberhalb der Knie. So war es wahrscheinlich üblich,
denn die Breeches-Hosen reichten bis zu den Knien
oder waren Knickerboker-Hosen. Und es gab keinen
Spalt an den Schenkeln. Als aber die Hosen kürzer wurden, 
mussten die Strümpfe länger werden und wurden mit Strumpf-
Haltern gehalten ...


Bild 34 a
So legten wir das elastische Strumpf-Band an.
Meistens war die Hose etwas länger,
überlappte den Strumpf-Rand.

 Bild 34 b
Die  elegantere Art war mit Strumpf-Haltern und
Strumpfhaltergürtel, manchmal für Knaben ab 12 Jahren, sonst wie 
im Bild 30 a



 Bild 35
1933, Pimpfe beim Wasserholen, mit Strumpf-Bändern
(seht auch die Bilder 43 - 45)




Bild 36
manchmal bekamen schon 
die kleinenKinder 
Strumpf-Bänder - 
obwohl Strumpf-Halter
üblicher waren

Strumpf-Bänder habe ich in den 1940er Jahren noch einzeln gesehen. Da war es oft Ausdruck von Familien mit geringem Einkommen, auch eine gewisse Gleichgültigkeit der Mutter gegenüber den Gefühlen ihrer Kinder. Doch fast alle haben ihre Strümpfe ab und zu hochziehen müssen .Oft wurden Weck-Ringe (rote oder blaue Gummiringe zum Abdichten der Einmachgläser) benutzt, was gewiß oft klemmte und schmerzte. Doch es waren Strumpf-Halter, die ab etwa 1925 immer üblicher wurden.

Um 1900 wurden wohl Strümpfe wie auf den Bildern 31 bis 36 (außer 34 b) getragen, die nicht höher als eine Handbreit über das Knie reichten, und die Hosen reichten hinunter bis ans Knie, die Röcke und Kleider waren noch länger. Also war das ganze Bein bedeckt Und wie ich las, gehörte sich das so in manchen, konservativen Familien. Die Hosen wurden mit der Zeit kürzer, und da immer noch das ganze Bein bedeckt sein sollte, wurden die Strümpfe länger. Das wurde den Knaben erst Ende der 1930er Jahre weniger wichtig, und häufiger sehen wir Bilder mit nicht genügend langen Strümpfen, und der obere Strumpfrand lag eben über dem Hosenrand – oder gar darunter. Doch im Bild 34 b sind die Strümpfe sehr lang und die kurze Hose könnte wirklich kurz sein, wie es damals oft war.

Deswegen kamen die Strumpf-Halter auf, also elastische Bänder mit Knopflöchern (Lochgummi), die wohl zuerst von den Frauen benutzt wurden, die sie auch für ihre Kinder nahmen (Bilder 4 und 5). Denn weiter oben am Schenkel würden die Strumpf-Bänder nicht halten.


Bild 37
in Bossel (Oste) 1954


Dieses ist ein Foto mit kleinen Knaben in sehr kurzen Hosen und nicht ganz reichenden Strümpfen, über die auch die Strumpf-Halter rausguckten, was man nicht gut fand. Doch das gab es in jeder Altersstufe mal. Aus Italien jener Zeit gibt es Knaben-Bilder in modisch sehr kurzen Hosen, deren Strumpfränder dennoch unsichtbar waren, also wohl weit über die Hüften mit Strumpf-Haltern gezogen waren, so wie bei den - wenigstens älteren – Mädchen (Bilder 30 a und b, 38).

Bild 38
Bild italienischer Kinder, 1940, - weil die Hosen so 
kurz sind, müssen die Strümpfe so lang sein - 
vielleicht wie überall bei den meisten Mädchen, 
unter deren Röcken die Strümpfe ja auch 
bis an die Hüften reichen müssen (seht Bilder 30 a und b).

Bild 39
Unterwäsche für dreizehn-jährige Mädchen - für Strumpf-Halter 


Wenn ich aber die Fotos von LEWIS WICKE HINE aus USA um 1900 ansehe, dann scheint mir, daß die Knaben, die meistens über 12 waren, bis vielleicht 16 Jahre lange Strümpfe trugen, eben übers Knie glaube ich, und mit einem Strumpf-Band (garter) befestigt, also ein Gummi rund um den Oberschenkel. Ab und zu sieht man das Band, und die Hosen waren so was wie Breeches, die bis zum Knie runter reichten oder etwas kürzer waren. Und im Laufe der folgenden Jahren noch kürzer wurden. Dann wurden die Strümpfe länger, und dann waren Strumpf-Bänder nicht mehr möglich und Strumpf-Halter kamen auf, die in den folgenden Jahren die Strümpfe hielten, ein oder zwei an jedem Strumpf.

 Bild 40
Auch zum Kilt wurden - logischerweise - manchmal 
lange Wollstrümpfe getragen, doch wo?

Die ganzen Ausrüstungen der Halterungen gehörten wohl mit zu den „Dessous“, die unsichtbar sein sollten, bei den Kindern so wie bei ihren Müttern. Deswegen sind sie so selten abgebildet, am häufigsten waren noch mehr oder weniger versehentlich die unteren Enden der Strumpf-Halter sichtbar, oder die Strumpf-Bänder. Ich habe sehr selten Bilder (Fotos oder Gemälde, Zeichnungen) gesehen, in denen das mit Absicht gezeigt wurde.

Oder es gibt Bilder von Dessous in den Reklamen, meistens für Frauen, doch seht hier:

Bild 41
da war kaum ein Uhterschied zwischen den Mädchen 
und Jungen - nur die Knaben tragen keine Nylons



Bild 42
bei Stade 1962, in Nordniedersachsen einer der letzten 
größeren Jungen, der lange Strümpfe 
mit Strumpf-Haltern trug. die Knaben schämten 
sich bei einer solchen Situation, denn
dabei wurden seine Dessous sichtbar.
In diesem Fall geschah das fern anderer Menschen
(außer mir, der ich das Foto machte)

„Dessous sind sehr pivate Kleidungsstücke. Sie verbergen die geheimsten Stellen, liegen direkt auf der Haut und sind wie verschlüsselte Botschaften: Sie verraten wie sich die Trägerin selbst sieht, und deuten ihre erotischen Vorlieben an.“ – aus der Besprechung des Buches „Dessous. Ein Jahrhundert Wäschekult oder "Le Frou Frou"“ (bei 2001, # 106 503). Das mögen die Mütter auf ihre Kinder übertragen haben, so weit sie lange Strümpfe bekamen, besonders auf die älteren – es waren ja auch die älteren Knaben ein Stück wie ihre Mütter in lange Strümpfe gekleidet – einschließlich der Unterwäsche und der dazugehörigen Emotionen. Der Übergang aus der Kindheit und Jugendzeit verband sich früher oft in dem Beginn des Tragens der langen Hosen, also oft mit der Konfirmation oder dem Schulabschluß mit 14. Grob gesehen war auch der Stimmwechsel der Knaben ein Zeichen der Reife zum Mann und zum Übergang zu männlicher Kleidung. Doch es gab viele Mischformen.

Die ausführlichsten Überblicke habe ich gewonnen beim Studium des Klassenfotoarchivs des Zürcher Lehrmittelverlages, (http://www.lehrmittelverlag-zuerich.ch/Shop/Klassenfotoarchiv/tabid/316/language/de-CH/Default.aspx). Allerdings war verständlicherweise keine Unterwäsche, die nötig war zum Tragen der langen Strümpfe, abgebildet. Da findet sich mehr in der Werbung amerikanischer Versandhäuser (Bild 24), was aber nach meiner eigenen Erfahrung nicht für europäische Verhältnisse passt.


Das wurde erst um 1925 anders, als sich die Knabenkleidung mehr und mehr von der der Mütter und Schwestern löste.

Mich wundert, wie die Kleidungsform der langen Strümpfe sich entwickeln konnte. Es muß eine neu aufkommende Mode gewesen sein, die die Mütter einführten, vielleicht in Anlehnung an ihre eigene Kleidung oder an Ideen der Industrie. Sie breitete sich sehr schnell über Nordamerika und fast ganz Europa aus – vielleicht mit Ausnahme der heißen Mittelmeerländer.

Dann – ab 1928 etwa – wurden die kurzen Hosen der Knaben immer kürzer. Das wurde – wie ich mich aus meiner Kindheit in den 1930er und 1940er Jahren erinnere – als sportlich empfunden, und in den 1930er Jahren war eine Junge gerne sportlich – auch wenn die langen Strümpfe nicht zum martialischen Manns-Bild der Nazis passten (weil sie mädchenhaft erschienen) und sehr selten zu den Jugend-Uniformen getragen wurden. Doch ab und zu waren ganze Gruppen so gekleidet, daß es schien, als ob die Strümpfe ganz normal zur Unifom gehörten.

 
Bild 43a
 Jungzug "Falke" der Pimpfe (10 bis 14) Nickelsdorf und Grünlinden
(Burgenland, Österreich) 

 Bild 43b
 Ältere Gruppe der Nazi-Jugend-Organisation,
Marsch-Kapelle, wahrscheinlich etwa 1933.
Ein außergewöhnliches Bild: die etwa 16 bis 19-Jährigen tragen zur
Uniform lange, schwarze Strümpfe

Bild 44
Jungzug der Pimpfe (10 bis 14) Gross Egelau (Ostpreussen) 1935

Bild 45
Die ab 14-Jährigen, April 1941, drei Jungen tragen 
lange Strümpfe zur Winter-Uniform,
in Hermsdorf (Sachsen)

Das mochten aber die Nazis nicht. Ich denke, wenn Jungen weiterhin lange Strümpfe getragen hätten, und wenn diese sogar bunter geworden wären, hätte sich eine ganz andere Jugend-Kultur entwickelt, mit mehr Sensibilität, Feinheit, Kultur. Und weniger Härte in den Kriegen.
 
Der praktische Sinn der langen Strümpfe verfiel mit dem Kürzerwerden der kurzen Hosen, denn der unbekleidete Raum zwischen Oberkante Strumpf und Unterkante Hose (wie auf Bild 37) erschien immer häufiger und wurde nicht gerne gesehen oder gefühlt und wurde leicht kalt, was eher die Mütter nicht gut fanden. Nun bekamen nur noch kleine Knaben lange Strümpfe bis zu dem Moment, an dem sie mit 8 etwa dagegen aufbegehrten. Wahrscheinlich begehrten Mädchen nicht dagegen auf, warum weiß ich nicht, vielleicht wurden sie schon sehr frühzeitig auf ein entsprechendes Mädchenbild geprägt, zu dem Kleider, Röcke, Schmuck, lange Strümpfe, Strumpf-Halter und Spitzen gehörten.

Meine drei Schwestern bekamen nie lange Strümpfe (zu ihrem Leidwesen wie mir eine von ihnen später erzählte), aber mein Bruder und ich trugen sie. Es gab also Familien, in denen zwar die Söhne aber nicht die Schwestern lange Strümpfe trugen. Kleine Jungen hatten eher Strumpf-Halter, die wohl an ein Leibchen geknöpft waren, größere, über 12, eher Strumpf-Halter-Gürtel (Bild 34 b) oder Strumpf-Bänder um die Oberschenkel geschlungen. Das waren aber allgemeine Tendenzen mit großer Variationsbreite. Strumpf-Bänder galten als weniger kindhaft als die Strumpf-Halter – wohl weil die Mütter Strumpf-Halter trugen. Mir kommt es so vor, als wenn diese Bemerkungen eher in den 1920er und 1930er Jahren galten als früher und später.

Große Unterschiede gab es zwischen verschiedenen Familien, auch die Altersstufe betreffend. Da waren auch landschaftliche Unterschiede, im Osten Deutschlands und Europas wurden lange Strümpfe in späteren Jahren noch getragen, als sie weiter westlich schon fast unbekannt waren – das ist eher eine ungefähre Beobachtung.

Bild 46 a
Septima einer Privatschule um 1900 (Ostpreussen)
(Septima war die vierte Klasse)

In meiner Stadt (Hameln) hatten die meisten Jungen wenigstens zeitweise lange Strümpfe an (sonst lange Hosen, Überfallhosen genannt), die damals meistens braun waren, und mit manchen dieser Jungen spielte ich Spiele wie „es blitzt“, wenn der Strumpf-Halter oder gar ein Stück Unterwäsche raussah, und gerade dieses Spiel nutzten Mädchen, um die Jungen zu verspotten. Immer wieder war ich begeistert, wenn andere Jungen in langen Strümpfen erschienen, und ich passte auf, wie alt die ältesten Strümpfeträger waren, ich sah, es ging - selten - bis etwa 16 (1948). Aus diesem Spaß entwickelte ich dann viel später die Lust, das, was ich damals gesehen hatte, selbst wieder zu tragen und auch zeichnerisch festzuhalten, auch um die Erinnerung an diese oft schöne und vielfach emotionale Mode nicht ganz sterben zu lassen. Ein paar dieser Bilder sind hier zu sehen und unter http://kinderstruempfe-lang.blogspot.com/  , Titel: "Alte Kindermode - die Strümpfe". Und http://www.flickr.com/photos/aryaman-stefan/8581551179/in/photostream . Und ich werde weitere zeichnen.

 Bild 46 b
Manchmal machte es Spaß, die Hände in die Strümpfe 
statt in die Hosentaschen zu stecken.


Die Farben der langen Strümpfe bei Knaben waren meistens schwarz bis etwa 1925 und wechselten danach langsam in meistens braun oder beige, manchmal grau. Farbige oder geringelte Strümpfe waren sehr selten und wahrscheinlich meistens handgestrickt.

Um 1960 trugen die letzten Knaben – und nur ganz kleine –, lange Strümpfe, dann kamen statt dessen für Kinder die Strumpfhosen auf, die allerdings von Knaben kaum getragen wurden. Erst eine Generation später – so um 1975 etwa – gab es eine kurze Zeit, in der auch Jungen mal Strumpfhosen trugen, aber dann hörte das bald wieder auf. Und heute?

Wenn ich heutzutage Leuten, die nun 55 oder jünger sind, erzähle, daß in meiner Jugend Kinder lange Strümpfe trugen, können sie das nicht glauben. Manche verwechseln sprachlich Lange Strümpfe mit Strumpfhosen, die es aber damals nicht gab, und die dem Träger ein ganz anderes Körpergefühl vermitteln – wenn er überhaupt auf´s Körpergefühl achtet. Als Beweis dafür, daß es sich um lange Strümpfe handelte und nicht Strumpfhosen, seht die Fotos an, auf denen das zu sehen ist, zum Beispiel Bild 8.


Es gab für Kinder lange Strümpfe aus Wolle und aus Baumwolle, erstere hat oft sehr gekratzt, letztere war angenehmer zu tragen. Ich hatte nur welche aus Baumwolle. Knaben, die handgestrickte, wollene Strümpfe am Oberschenkel erleiden mussten, haben das ganzen Leben nie wieder welche getragen, so schlimm haben sie gekratzt. Maschinengestrickte Wollstrümpfe sind angenehmer gewesen. Es scheint, daß Mädchen bevorzugt wurden, denn nie habe ich von einem Mädchen gelesen oder gehört, daß über das Kratzen geklagt hat. Ich selbst habe mir mal vor ein paar Jahren lange Wollstrümpfe mit meiner Strickmaschine gestrickt und habe nie das Kratz-Problem. Die Wolle ist heute wohl anders.

Ich glaube, daß Jungen sehr selten Strümpfe aus Seide beziehungsweise später aus Perlon/Nylon hatten, Mädchen erst ab etwa 12 oder später. Damals hatten solche Strümpfe hinten eine Längsnaht, und ich habe eine Geshichte gehört, in der die Mutter ihren Töchtern die Strümpfe morgens gerade zog ehe sie sie befestigen durften. Doch wenn Jungen mal Nylons bekamen (vererbt), mag es ähnlich gewesen sein, habe aber nie davon gelesen.

Weniger elegant als wärmend wurden oft wollene Socken über den langen Strümpfen getragen. Ich habe das damals als sportlich empfunden und gerne gesehen. Auf den Zürcher Fotos (http://www.lehrmittelverlag-zuerich.ch/Shop/Klassenfotoarchiv/tabid/316/language/de-CH/Default.aspx)  trugen bis 1950 sehr viele Kinder im Winterhalbjahr lange Strümpfe mit Schisocken – zu langen Strümpfen oder zu Kniestrümpfen –, Mädchen fast nur. Buben in den 1920ern in der Mehrzahl, dann abnehmend. Und vielfach Schistiefel.


Die Mode der langen Strümpfe für Kinder zog sich ab 1928 langsam zurück auf die deutsch-sprachigen Gebiete und wahrscheinlich auch auf Osteuropa, dazu auf Skandinavien und Holland und hielt sich dort etwa so lange wie oben angegeben, also bis höchstens in die 1960er Jahre. Auf dem Lande hielt diese Mode im Schnitt 10 Jahre länger an als in den Städten, in der DDR etwa 10 länger als in der BRD. Und in  Polen und weiter östlich? Aus Wrozlaw (Breslau) in Polen fand ich aus den 1950er Jahren dieses niedliche Bild:

Bild 47
1950er Jahre in
Wrozlaw (Breslau) in Polen
die Jungen einer Klasse – die Mädchen trugen 
ebenfalls lange Strümpfe


Nun geht es weiter im nächsten Post DREI
http://geschichte-der-langen-struempfe.blogspot.com/2011/11/historie-der-langen-knabenstrumpfe-zwei.html




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1 Kommentar:

  1. Sehr gute Zusammenstellung. Als ich in die erste Klasse ging (1958) hatten viele Leibchen mit Strümpfen an ,auch die Jungen.Am Unterhemd waren die vier Strumpfhalter angenäht und so wurden die langen dicken Wollstrümpfe mit Strumpfhalterklipsen festgemacht. Besonders im Winter war es üblich .Beim Sport mußten wir alles ausziehen und eine Turnhose tragen. Ich kann mich noch gut daran erinnern ,dass viele Jungs diese Kleidung an hatten. Bei den Mädchen haben wir schon einige mit Strumpfhaltergürtel gesehen, auch waren oft die langen Strümpfe feiner und geschmeidiger .Da wir uns im Klassenzimmer zum Sportunterricht umziehen mußten (erst die Mädchen dann die Jungen )haben wir die Unterwäsche auf den Sitzstühlen gesehen .Das war aber alles für uns normal ,ohne irgendwelche Hintergedanken .

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